Gedenkort für Kurt Lichtenstein

Julius C Schreiner
Auf einen Blick
Adresse:
Kreisstraße 85, südlich von Zicherie
An der Kreisstraße zwischen Zicherie und Kaiserwinkel befindet sich eine kleine Gedenkstätte für den Journalisten Kurt Lichtenstein, der an dieser Stelle von zwei Grenzposten der DDR getötet wurde. Kurt Lichtenstein war von 1931 bis 1953 Mitglied der KPD und durchlief bis zu seinem Ausschluss aus der Partei eine fast lupenreine kommunistische Funktionärsbiografie. Nach 1945 lebte er in Westdeutschland und saß von 1947 bis 1950 als KPD-Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen. In einer „Säuberungswelle” wurde er dann wegen angeblicher „parteifeindlicher Tätigkeit” aus der Partei ausgeschlossen.
Im Oktober 1961 befand sich Kurt Lichtenstein als Redakteur für die Westfälische Rundschau auf einer Reportagereise entlang der innerdeutschen Grenze. Er wollte darüber schreiben, wie es nach dem Berliner Mauerbau dort aussah und das Leben an der Grenze durch Interviews und Fotografien dokumentieren. Als er am Mittag des 12. Oktober 1961 auf einem befestigten Weg südlich des niedersächsischen Dorfes Zicherie entlang fuhr, sah er unmittelbar hinter der Grenze eine überwiegend aus Frauen bestehende Landwirtschaftsbrigade bei der Kartoffelernte. Kurt Lichtenstein hielt an, stieg aus und ging auf die LPG-Kolonne zu. Die zur Bewachung der Erntearbeiten in einer getarnten Stellung am Waldrand eingesetzten beiden DDR-Grenzpolizisten konnte er nicht sehen. Er befand sich bereits ein gutes Stück auf DDR-Gebiet, als mehrere Landarbeiterinnen ihn durch Zurufe auf die Grenzpolizisten, aufmerksam machten. Nun sah auch Lichtenstein die Grenzpolizisten aus dem Wald herauskommen. Er kehrte um und lief in Richtung der Grenze zurück. Die beiden Grenzposten feuerten mehrere Schüsse – zunächst in die Luft und dann gezielt – aus ihren Waffen ab und trafen Lichtenstein am Bein und in den Oberkörper. Er stürzte kurz vor dem westdeutschen Gebiet zu Boden. Die beiden Posten liefen zu ihm und schleiften den Verletzten vom Grenzstreifen zurück in den Wald. Die kurz danach eintreffenden Zollbeamten und BGS-Mitarbeiter sollten den Vorfall nicht sehen. Dennoch gab es auf beiden Seiten der Grenze mehrere Augenzeugen. Eintreffende Mitglieder der DDR-Grenztruppen und Bauern leisteten erste Hilfe. Erst nach über einer Stunde traf jedoch ein Sanitätsfahrzeug der Grenztruppen vor Ort ein und brachte den Verletzten nach Klötze in das dortige Krankenhaus. Die begonne Behandlung zeigte keinen Erfolg mehr und gegen 17.50 Uhr verstarb Kurt Lichtenstein.

Julius C Schreiner

LHB
Der Tod von Kurt Lichtenstein fand in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit große Beachtung. An seiner Beerdigung nahmen unter anderem der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Ernst Lemmer, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Herbert Wehner und der Bundesvorsitzende der IG Metall Otto Brenner teil. Der Tod Lichtensteins führte in beiden deutschen Staaten zu politischen Reaktionen und schon 1961 wurde am Ort des Geschehens auf westlicher Seite eine kleine Gedenkstätte eingerichtet.
Nach dem Ende der DDR kam es zu Ermittlungen gegen die beiden Grenzposten, die auf Kurt Lichtenstein geschossen hatten. Das Landgericht Stendal sprach sie am 10. September 1997 aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Totschlags frei. Sie hätten nach Feststellung des Gerichts ohne Tötungsvorsatz und nicht schuldhaft gehandelt.
Der heutige Gedenkort wurde 2011 eingerichtet und gehört zum Grenzlehrpfad Böckwitz-Zicherie.
Quelle: Forschungsverbund SED-Staat
Ein Projekt von diesem Akteur
Weitere Projekte von diesem Akteur
Museum / Monument (2verschiedene)
Naturraum (1verschiedene)
Touren (1verschiedene)
Verwandte Projekte anderer Akteure
Gedenkstein für Heiko Runge
Museum / Monument

Mandy Leonhardt
Gedenkstele für Otto Scholz bei Stapelburg
Museum / Monument

Wolfgang Roehl